HolzlexikonFoto © by depositphotos.com | Kotenko

Schwindmaß und Quellmaß

Suche nach Begriffen
Begriff Definition
Schwindmaß und Quellmaß

Was ist das Schwind- und Quellmaß bei Holz?

Wenn wir von Holz sprechen, denken viele zuerst an warme Farben, angenehme Haptik und das Gefühl von Natur. Doch Holz kann noch viel mehr – es „arbeitet“. Genau hier kommen das Schwindmaß und das Quellmaß ins Spiel. Diese beiden Begriffe beschreiben, wie stark sich Holz verändert, wenn es Feuchtigkeit aufnimmt oder abgibt. Und das ist längst nicht so kompliziert, wie es auf den ersten Blick scheint.

 

Warum „arbeitet“ Holz überhaupt?

Holz ist ein hygroskopischer Werkstoff. Das bedeutet, es kann Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft aufnehmen und sie auch wieder abgeben. Je nachdem, ob es gerade „trinkt“ oder „schwitzt“, quillt (vergrößert sich) oder schwindet (verkleinert sich) das Holz. Ist die Luft sehr trocken, gibt das Holz Feuchtigkeit ab und zieht sich zusammen. In feuchter Umgebung nimmt es dagegen Wasser auf und dehnt sich aus.

Kurz gesagt:

  • Schwindmaß (Schwindung): Das Holz schrumpft, weil es Feuchtigkeit verliert.
  • Quellmaß (Quellung): Das Holz dehnt sich aus, weil es Feuchtigkeit aufnimmt.

 

Was passiert dabei genau?

Stell dir die Zellstruktur des Holzes wie winzige Röhrchen und Kammern vor, die Wasser speichern können. Wenn viel Feuchtigkeit da ist, saugen sich diese Röhrchen voll und dehnen sich aus – das Holz quillt. Ist wenig Feuchtigkeit vorhanden, geben sie das Wasser ab und ziehen sich zusammen – das Holz schwindet.

 

Fasersättigung und Grenzen

Es gibt einen Punkt, an dem die Zellwände komplett gesättigt sind. Darüber hinaus kann das Holz zwar noch zusätzliches Wasser zwischen den Zellen aufnehmen (zum Beispiel in Form von freier Flüssigkeit), aber die Zellwände selbst sind dann bereits „randvoll“. Die Volumenzunahme hört also irgendwann auf, wenn die Zellwände gesättigt sind.

 

Unterschiede zwischen Holzarten

Dass sich manche Holzarten stärker verziehen als andere, hängt vor allem von zwei Dingen ab: der Rohdichte (also wie kompakt das Holz ist) und eventuellen „Spezialzutaten“ wie eingelagerten Harzen oder Ölen.

  • Harthölzer (z. B. Buche, Eiche) haben oft eine höhere Rohdichte und zeigen dadurch teils stärkeres Quellen und Schwinden.
  • Teak oder andere tropische Hölzer sind oft mit öligen, hydrophoben Substanzen durchzogen, wodurch sie insgesamt weniger „arbeiten“.

Ein Klassiker: Fichte oder Kiefer schwindet und quillt spürbar, aber längst nicht so drastisch wie manch anderes Holz mit höherer Dichte.

 

Richtungsabhängigkeit: Holz ist nicht überall gleich

Holz quillt und schwindet unterschiedlich stark, je nachdem, in welcher Richtung wir messen:

  1. Längsrichtung (axial, parallel zur Faser)
    Hier verändert sich das Holz am wenigsten. Wenn du ein Brett in Faserrichtung misst, wirst du kaum Unterschiede feststellen.
  2. Radialrichtung (von der Baummitte nach außen hin, entlang der Holzstrahlen)
    Radial sind die Veränderungen schon deutlicher – das kann 10- bis 20-mal höher sein als längs.
  3. Tangentialrichtung (entlang der Jahresringe)
    Hier wird’s richtig spannend, denn tangentiale Änderungen sind mit 15- bis 30-mal höher als längs oft am stärksten. Wer schon mal Risse gesehen hat, die quer zu den Jahresringen verlaufen, weiß, wie eindrucksvoll das sein kann.

 

Kenngrößen im Überblick

Maximales Quell- und Schwindmaß

Das maximale Maß gibt an, wie stark sich das Holz vom komplett durchnässten Zustand (bei maximaler Feuchtesättigung) bis zum knochentrockenen Zustand (Darrzustand) verändert. Für viele Planungen ist dieser Wert extrem wichtig, weil er den „Worst Case“ beschreibt.

 

Differentielle Quellung

Das klingt kompliziert, ist aber schlicht der Prozentsatz, um den sich das Holz bei 1 % Änderung der Holzfeuchte ausdehnt oder zusammenzieht. Das hilft, wenn man möglichst genau planen will, etwa bei Türzargen oder Fensterrahmen, die sich auf keinen Fall verziehen sollen.

 

Quelldruck

Wenn das Holz quillt und nicht ausweichen kann (z. B. weil es fest in eine Konstruktion eingespannt ist), baut sich ein enormer Druck auf. Tatsächlich kann dieser Druck so stark werden, dass er sogar Beton oder Stein sprengen kann.

 

Praktische Relevanz:

Risse und Verformungen vermeiden

Wenn ein Holzwerkstück daran gehindert wird, sich auszudehnen oder zusammenzuziehen, entstehen Spannungen. Das führt zu Rissen, Verbiegungen oder Brüchen.

 

Optimale Holzfeuchte

Damit Möbel in Wohnräumen nicht plötzlich klemmen oder wackeln, sollte das Holz auf die Umgebung abgestimmt sein. Bei Inneneinrichtungen liegt die gewünschte Holzfeuchte meist zwischen 8 und 12 %. Bauholz darf etwas mehr Feuchte haben (12–18 %).

 

Die Sache mit der Anisotropie

Holz mit stark tangential verlaufenden Jahresringen neigt eher zum Verziehen. Wer also perfekt gerade Flächen braucht, sollte auf die Schnittführung (z. B. Rift- oder Quartierschnitt) achten oder sich für eine geeignetere Holzart entscheiden.

 

Behandlung und Modifikation

  • Thermoholz oder chemisch modifiziertes Holz (z. B. Acetylierung) nimmt weniger Wasser auf und „arbeitet“ entsprechend weniger.
  • Oberflächenbehandlungen mit Lacken, Ölen oder Wachsen reduzieren zumindest die Geschwindigkeit der Feuchtigkeitsaufnahme. Das ist zwar kein Allheilmittel, aber deutlich wirksam gegen schnelle und heftige Veränderungen.

 

Ein Fazit mit Augenmaß

Das Quell- und Schwindverhalten ist die vielleicht wichtigste Besonderheit von Holz. Deshalb achten Schreiner, Zimmerleute und Hobbyhandwerker gleichermaßen darauf, dass ihr Material unter möglichst konstanten Bedingungen gelagert, verarbeitet und eingesetzt wird. Das heißt aber nicht, dass Holz deswegen kompliziert oder unberechenbar wäre – im Gegenteil: Hat man die Grundprinzipien verstanden und das richtige Holz sowie die richtige Konstruktion gewählt, lassen sich wunderbare, langlebige Produkte herstellen, die ihre ganz natürliche „Bewegungsfreiheit“ behalten.

 

Synonyme: Schwindverhalten, Quellverhalten